Interview des Career Service Network e. V. mit Tatijana Kulas, Corporate Responsibility Manager bei Vodafone Deutschland im Juni 2009. Das Interview führte Nicolas Krakor. (Die Begriffe CR, Corporate Responsibility, und CSR, Corporate Social Responsibility, sind synonym.)
Krakor: Beschreiben Sie bitte Ihren Weg als Diplom Psychologin zu Ihrer jetzigen Arbeit als CSR-Managerin bei Vodafone.
Kulas: Nach meinem Psychologie-Studium an der WWU Münster bin ich meinem Schwerpunkt der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie folgend ins Marketing eingestiegen.
Ich war zuerst Junior Project Manager bei Lycos Deutschland (einem Internet-Portal) und bin dann als Product Manager in die Zentrale von Lycos Europe gewechselt. Als Product Manager war ich zuständig für den Bereich der bezahlbaren Content-Dienste und habe dort die internationalen Billing-Prozesse implementiert. Da ich in dieser Position auch für das Reporting und Controlling verantwortlich war, habe ich mich im Finanzwesen weitergebildet.
Nach drei Jahren habe ich die Chance genutzt, als Controllerin bei Vodafone Deutschland ein neues unternehmensweites Performance Management System aufzubauen, dessen Sponsor Fritz Joussen war (damals COO, heute CEO von Vodafone Deutschland). Meine Prozess- und Projektstärke, die Kenntnisse im Reporting und nicht zuletzt die bereichsübergreifenden Team-Erfahrungen in einem internationalen Unternehmen haben mir dabei sehr geholfen.
Nach weiteren vier Jahren Aufbau und Umsetzung eines unternehmensweiten „Management-by-Objectives“-Systems wollte ich den „Management-by-Values“-Ansatz stärker vorantreiben. Vodafone schätzt das Diversity-Konzept und hat mir einen internen Wechsel in die Abteilung CR ermöglicht, in der ich nun seit zwei Jahren als Managerin tätig bin. Im letzten Jahr habe ich mein Postgraduate Certificate in Sustainable Business an der University of Cambridge abschlossen, um die spezifischen Fachkenntnisse zu vertiefen und die internationale Vernetzung zu verstärken.
Der Schlüssel zur beruflichen Entwicklung liegt, nach meiner persönlichen Erfahrung, in der Offenheit für Neues, fachlicher Weiterbildung und Vernetzung in den Bereichen, für die Ihr Herz schlägt. Sehr gute Arbeitsleistung, Durchhalte-Vermögen und nicht zuletzt ein Quäntchen Glück sind dabei von Vorteil.
Krakor: Erzählen Sie uns vom praktischen Inhalt Ihrer Arbeit. Welches sind Ihre Aufgaben und welche anderen Aufgaben erfüllt das CSR-Team Ihrer Firma?
Kulas: Ich zeichne verantwortlich für alle Belange vom nachhaltigen Wirtschaften, über das Stakeholder Management bis hin zu Social Sponsoring. Meine Steckenpferde sind die CR-Strategie und die Managementsysteme. Vodafone hat zusätzlich noch eine Umwelt-Abteilung, in der explizit ökologische Fragestellungen (z.B. Abfallmanagement, Energie-Effizienz-Maßnahmen, Handy-Recycling) behandelt werden. Einen gesamten Überblick über unsere Aktivitäten würde den Rahmen sprengen, können aber selbstverständlich in unseren CR-Berichten nachgelesen werden. http://www.vodafone.de/unternehmen/verantwortung/98112.html
Krakor: Wie sehen Sie die Chancen für Geistes- und Sozialwissenschaftler im Bereich CSR zu arbeiten? Werden hier Weiterbildungen benötigt?
Kulas: Der CR-Bereich in großen Konzernen fokussiert je nach Auslegung und historischer Entwicklung verschiedene Themen, bei denen, z.B. insbesondere für das bürgerschaftliche Engagement, Geisteswissenschaftler in Frage kommen.
Andere Bereiche, vor allem das nachhaltige Wirtschaften und die unternehmerische Verantwortung, sind ohne wirtschaftliche Kenntnisse nur schwer einzuordnen. Hier wäre für Quereinsteiger eine Weiterbildung von Nutzen.
Renommierte Weiterbildungen sind oft im angelsächsischen Bereich angesiedelt, mittlerweile gibt es auch schon sehr gute deutsche Programme. Die Kurse unterscheiden sich stark in ihrer inhaltlichen Ausrichtung. Sneep (eine studentische Plattform für an Nachhaltigem Wirtschaften, CSR, Öko-sozialer Marktwirtschaft und vielen weiteren wirtschaftsethischen Themen) hat eine gute Übersicht unter: http://www.sneep.info/?s=Studium&c=Studienmoeglichkeiten
Aus meiner persönlichen Sicht sind in England vor allem die Universitäten Cambridge und Nottigham (Professor Jeremy Moon) interessant. In Deutschland lohnt sich ein Blick auf Universität Lüneburg (Prof. Dr. Stefan Schaltegger) oder die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (Prof. Dr. André Habisch). Diese Aufzählung soll selbstverständlich die Verdienste der anderen Schulen nicht schmälern. Es lohnt sich eine auf die eigenen Bedürfnisse ausgerichtete Recherche.
Krakor: Es geraten immer wieder Unternehmen in die Kritik ihr Engagement ist nur ein Marketinginstrument ohne echte Überzeugung. Wie sieht gute CSR-Arbeit aus und welche Stellung hat das Thema dann in einem Unternehmen?
Kulas: Nur da, wo das Thema Verantwortung in die Geschäftsprozesse implementiert ist, wird sie auch gelebt. Der reine philanthropische Ansatz (z.B. durch Spenden im karikativen Bereich) ist sehr ehrenwert. Leider kann dieser Ansatz aber auch als Feigenblatt dienen, um die eigene unternehmerische Verantwortlichkeit nicht angehen zu müssen. Deshalb kann der CR-Bereich in großen Unternehmen nicht auf wirtschaftliches Verständnis und Betriebswirte verzichten, die die Bedeutung von Nachhaltigkeit für ihr Geschäft verstehen. Gute CR-Arbeit wirkt nicht nur nach Außen, sondern wird im Kerngeschäft gelebt. Eine gesonderte CR-Abteilung fungiert dabei als Unternehmensberater für Fragen der Nachhaltigkeit.
Krakor: Angesichts der Wirtschaftskrise müssen viele Unternehmen ihre Ausgaben einschränken. Wie sehen Sie generell die Zukunft von CSR in Deutschland und von CSR als Arbeitsfeld?
Kulas: Die Krise zeigt, dass Corporate Responsibility mehr im Unternehmen wirken muss und jeden Mitarbeiter vom Sachberater bis zur Geschäftsführung betrifft. Die Krise entlarvt alle CR-Ansätze, die nur aus PR-Zwecken aufgesetzt, aber nicht gelebt wurden. Daher heißt es nicht, „CR trotz Krise“, sondern „CR gerade wegen der Krise“. In meinen Augen bleibt der Bereich ein faszinierender und für Unternehmen zukunftsweisender Arbeitsbereich. Es ist die Frage nach dem verantwortungsvollen Verhalten jedes Mitarbeiters und dem Aufbau jedes Geschäftsprozesses. Und nicht zuletzt die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des Geschäfts: Hier sind visionäre und strategische Führer gefragt, die nicht nur die kurzfristige Gewinnmaximierung, sondern die langfristige Tragbarkeit ihres Unternehmens im Sinn haben. Maßlosigkeit und Kurzfristigkeit der Denkweise stehen im Gegensatz zur unternehmerischen Verantwortung. CR kann ein Pool für überlebenswichtige Innovationen sein, welche – im Sinne des Unternehmens und zugunsten der Gesellschaft, in der wir alle leben, – nicht unausgeschöpft bleiben sollte.